Haushaltsrede 2021

von Dr. Stephan Thiel, am 9. März 2021. Eine Beschreibung der Verhältnisse im Gemeinderat des letzten Jahres, in der Hoffnung diese zu verbessern und einen respektvollen inhaltlichen Austausch zu erreichen.

12.03.21 –

von Dr. Stephan Thiel, Fraktionssprecher der Grün/Unabhängigen Fraktion im Marktgemeinderat Garmisch-Partenkirchen, am 9. März 2021.

Eine Beschreibung der Verhältnisse im Gemeinderat des letzten Jahres, in der Hoffnung diese zu verbessern und einen respektvollen inhaltlichen Austausch zu erreichen.

 

 

Sehr geehrte Bürgermeisterinnen, liebe Verwaltung, liebe Kolleginnen und Kollegen Gemeinderäte, sehr geehrte Damen und Herren!

An erster Stelle möchten wir der Verwaltung, insbesondere dem Kämmerer Meier und seinem Team, für die erledigte Arbeit, ihre Mühen und den großen Einsatz zur Ausarbeitung des vorliegenden Haushalts danken.

Die Erste Bürgermeisterin hat in den letzten Jahren den Haushalt immer als ein Märchenbuch bezeichnet. Dieses Jahr sind demnach Sie die Märchenerzählerin vielleicht mit Unterstützung Ihrer CSU und ähnlich gearteter Gruppierungen. Im Märchen gibt es den Märchenprinzen auf dem weißen Pferd, der die Welt vor den offensichtlich bösen Hexen und Buben bewahrt und genau weiß, was richtig und falsch ist, was gut für die Welt ist.

Für uns GRÜNE ist der Haushalt eine Ermächtigung zur Umsetzung kommunaler Pflichtaufgaben und - sofern dafür noch Mittel zur Verfügung stehen – zur Darstellung freiwilliger Leistungen. Dieser Plan sollte Ausdruck eines politischen Willens sein, der sich über Parteigrenzen hinweg im Gemeinderat mainifestiert. Bereits hier wird der Unterschied zwischen Ihrem und unserem Denken und Handeln und Ihrer und unserer Grundeinstellung mehr als deutlich.

In der heutigen Sitzung wird traditionell nicht nur der Haushalt allein betrachtet, sondern die zurückliegende politische Arbeit des ganzen letzten Jahres. Ganz nach dem Motto: „Wer findet sich warum im Haushalt wieder? Welche politische Handschrift trägt er?“ Für Sie übersetzt: wer sind die Guten und wer die Bösen?

Ich denke dort, wo einstimmiger politischer Wille zum Ausdruck kam, ist der Haushalt unstrittig. Hierfür steht vor allem die Sanierung unserer Schulen. Es ist kein Zufall, dass dies im Zuständigkeitsbereich der Zweiten Bürgermeisterin liegt. Schon bei ihrem Amtsantritt kündigte sie uns ihre Themenbereiche und Ziele an und rückte die Grund- und Mittelschulen sowie die Kinderbetreuungseinrichtungen in den Fokus. In der Tat geht sie hier Schritt für Schritt vorwärts, leert ihren Schreibtisch [d.h. sie erledigt zügig ihre Arbeit - Anmerkung der Redaktion]und pflegt darüber hinaus das Gespräch mit vielen Beteiligten. Ein grundlegendes Konzept und ein Ziel sind erkennbar.

Aber auch hier sollte die Angst gegenüber Andersdenkenden noch mehr überwunden werden - selbstverständlich nur, wenn sie auch dürfen [d.h. wenn sie von der ersten Bürgermeisterin gelassen werden - Anmerkung der Redaktion].

Aber dann hört die Übereinstimmung im Haushalt über alle Parteigrenzen auch schon auf. Das wäre ja grundsätzlich nicht schlimm, wenn hierzu ein Diskussionsprozess auf Augenhöhe stattfinden würde, der eine politische Willensbildung über Parteigrenzen hinweg ermöglichen und eine Priorisierung der Positionen im Haushalt erlauben würde. Aktuell ist der Haushalt aus unserer Sicht ein Sammelsurium an Maßnahmen und Ausgaben, die eine gemeinsame politische Ausrichtung und insbesondere eine Gesamtkonzeption vermissen lassen. Der Haushalt ist überladen mit Ausgaben und ermangelt an Alternativen im Einnahmebereich. Jedes Jahr erfolgt das gleiche Spiel von Ansätzen durch die Verwaltung, die durch die Politikvertreter*innen zusammengestrichen werden – vielleicht auch werden sollen. Die Rolle der bösen Buben und Hexen in Form der Politikvertreter*innen ist dann klar. Aber in aller Regel wollen sie diese ihnen zugewiesene Rolle nicht einnehmen, und somit gehen die Verwaltungsansätze auch meistens durch.

Dem Haushalt fehlt eine klare Linie, eine Gesamtkonzeption

Es ist deshalb sinnlos, einzelne Positionen zu diskutieren. Es bedarf einer grundlegenden Diskussion über Ziele, Prioritäten und Umsetzungsstrategien für die nächsten Jahre, an denen sich ein Haushalt orientieren kann.

Wir wünschen uns ein Kongresshaus, eine Ski-WM, weniger Verkehr, aber mehr bzw. eine zumindest gleichbleibende Anzahl an Tourist*innen, kostenlose Parkplätze zumindest für Einheimische, mehr Wohnraum, mehr Grünflächen und so weiter. Das Problem ist: diese Wünsche widersprechen sich oft in der Umsetzung. Es bedarf einer Strategie zur Lösung dieser Widersprüche. Und da nicht alle Wünsche gleichzeitig erfüllt werden können, bedarf es einer Priorisierung. Dies setzt eine gemeinschaftliche Diskussion auf Augenhöhe voraus. Augenhöhe bedeutet, dass alle in diesem Prozess eingebunden sind und ernst genommen werden. Und wenn ich alle sage, meine ich alle. Von der Bevölkerung über die politischen Parteien, die Verbände und Vereine bis hin zur Sachbearbeitung in der Verwaltung. Dieser komplexe Prozess sollte durch eine Bürgermeisterin transparent begleitet und tolerant geführt werden.

Stattdessen werden Hydranten freigeräumt und Fußwege gekehrt, es wird dampfgestrahlt und die Freiwillige Feuerwehr beim Drohnenflug begleitet und sonstige „Gschafftl-Huberei“ wie im Rahmen der Stromversorgung des Impfzentrums veranstaltet. Anschließend werden diese Tätigkeiten dann ganz artig auf Instagram und Facebook geteilt. Wie viele Tweets haben Sie denn so im Jahr? Und wie viele Follower, abgesehen der 17 festen hier im Saal?

Mein Problem hierbei: Die passende Tätigkeitsbeschreibung hierfür entspricht eher E6 statt B3.

Ich habe mit vielen Menschen hier im Raum gesprochen, insbesondere auch mit den neuen Gemeinderäten. Fast unisono herrschte eine Verunsicherung ob der erlebten Abläufe von Sitzungen und im Umgang miteinander vor. Einige waren regelrecht entsetzt.

  • Dies begann bereits in der konstituierenden Sitzung durch das konsequente Übergehen bzw. Niederstimmen der Anträge der Grün/Unabhängigen Fraktion zur Besetzung der Ausschüsse, die Verhinderung von Herrn Sielmann als Referenten für Griesen, von Frau Edenhofer als Kulturreferentin und von Herrn Hofer für die Aschenbrenner-Stiftung.

  • Zudem wurde hier jeglicher Datenschutz missachtet, Jugendschutzrechte wurden möglicherweise übergangen und keine Kosten und Mühen einer Live-Übertragung gescheut. Alle im Nachgang gültigen Argumente oder Hinderungsgründe am Live-Streaming wurden damals regelrecht übergangen, möglicherweise nur mit dem Ziel der Selbstdarstellung im Rahmen der Amtseinführung.

  • Diese Linie zieht sich dann aber wie ein roter Faden durch Ihre bisherige Amtszeit: Regelmäßige Anträge auf Ende der Debatte aus der Reihe der CSU und Freunden bis hin zur jüngsten Sitzung, bei der Anträge allein mit der Stimmenmehrheit der CSU und Co. ohne Diskussion von der Tagesordnung genommen wurden.

  • Sie terminieren Sitzungen wie es Ihnen persönlich gefällt und passt. Sie wissen, dass wir Gemeinderäte das Amt ehrenamtlich neben einer Berufstätigkeit ausüben, nur die Bürgermeisterin ist hauptamtlich tätig (z.B. kurzfristige Einberufung der Haushalts-Sitzung als wichtigste Sitzung des Jahres am Dienstag um 17 Uhr = Widerspruch zur Geschäftsordnung).

  • Insgesamt lässt dieses Auftreten eine mangelnde Wertschätzung der Arbeit der Gemeinderäte vermuten – zumindest dem Teil der Andersdenkenden gegenüber: Sie fordern den Gemeinderat dazu auf, keine Anfragen mehr zu stellen, um die Arbeitskraft der Verwaltung zu schonen oder aus Gründen wie: „Wir haben jetzt Wichtigeres zu tun” oder „Die Verwaltung ist doch nicht das Sekretariat des Gemeinderats”.

  • Sie assimilieren Ideen aus der Opposition und stellen es so dar als wären diese schon immer Ihre: so z.B. unsere Anfrage hinsichtlich UNESCO, der Antrag zum Wohnungsbau, der Antrag auf Bürgerbeteiligung beim Kongresshaus. Ihr Ziel: gute Ideen des Gegners abzuschöpfen und als eigene zu verkaufen (so fehlt z.B. bei UNESCO noch immer die Beantwortung unserer Anfrage).

So sieht kein Umgang mit Andersdenkenden aus. Augenhöhe ist etwas anderes. Hier kann man sogar ein mangelndes Demokratieverständnis insbesondere seitens der Bürgermeisterin unterstellen.

Der beste Beleg für fehlendes Demokratieverständnis lieferten Sie aber durch ihre Ablehnung eines Interviews mit dem Garmisch-Partenkirchener Tagblatt, weil der Interviewer Ihnen nicht passte. Ich glaube nicht, dass es uns als Politikvertreter*innen und schon gar nicht als Bürgermeisterin zusteht, solchen Einfluss auf die freie Pressearbeit zu nehmen. Hier wäre es eher angebracht, dass Sie sich das Deutsche Recht, das Sie, nebenbei bemerkt, studiert haben auch in einem demokratischen Geiste verinnerlichen würden. Wenn ich nicht wüsste, dass Sie eine überzeugte Gegnerin von Rechtsaußen sind und dies auch immer gezeigt haben, würde ich hier viel Schlimmeres vermuten.

Sehr geehrte Frau Erste Bürgermeisterin, ich habe im letzten Jahr den Eindruck gewonnen, dass Sie auch nie so richtig von der Rolle als Fraktionsvorsitzende der CSU weggekommen sind.

  • So verschwimmen z.B. Einträge in den Sozialen Medien zwischen der Bürgermeisterin und der Privatperson

  • So wird das Abstimmungsverhalten der CSU-Fraktion (Beeinflussung durch Kommentare: “Das ist rechtswidrig” oder “Da muss dann jetzt gegen den Vorschlag der Verwaltung gestimmt werden”) weiter vorgegeben.

Sie üben keine Vorbildfunktion in Sachen Menschlichkeit und Wertschätzung aus. So sparen Sie nicht an persönlich diffamierenden Äußerungen über Mitglieder dieses Gremiums. Sie lassen sich häufig zu Lästereien nach verschiedenen Sitzungen und an Stammtischen hinreißen, die allesamt ins Persönliche gehen. Glauben Sie bloß nicht, dass wir das nicht mitbekommen und uns das nicht zugetragen wird! Das ist kein staatstragendes Verhalten – so etwas macht auch kein Seiden-Dirndl oder Scala-Besuch mit dem italienischen Präsidenten wett. Sie sprechen die Gemeinderats-Mitglieder mit falschem Namen an (nicht nur Herrn Sielmann), begleiten die Wortbeiträge mit Augen verdrehen oder halten sich gar die Ohren zu, unterbrechen ständig Wortbeiträge. Sie legen eine überspitzte Ironie, gar eine Süffisanz an den Tag, die unseres Erachtens unangemessen ist. Ein solches Auftreten als Inhaberin des höchsten Amtes der Marktgemeinde ist für uns äußerst befremdlich.

Wir befinden uns quasi seit Ihrem Amtsantritt in schwierigen Zeiten mit Corona. Das lässt manches verzeihen, aber nicht alles. Aber so hat auch eine solch schwierige Zeit einen Vorteil: Sie hatten bisher zumindest nur ein reduziertes Abendprogramm. Ich hoffe Sie haben diese Zeit genutzt, um Konzepte zum Wohle unseres Ortes zu entwickeln, denken schon jetzt über deren Umsetzung nach und wie Sie uns und die Bevölkerung dabei mitnehmen. Wir vermissen wie gesagt ein Gesamtkonzept, einen roten Faden über die Sanierung der Schulen und Kindergärten hinaus. Wir vermissen eine Information darüber, wie wir z.B. bei Entscheidungen zur Umsetzung der Maßnahmen im Rahmen des Radverkehrskonzeptes mitgenommen und eingebunden werden. Wir als Grün/Unabhängige Fraktion repräsentieren einen erheblichen Anteil der Wählerstimmen und werden dafür sorgen, dass diese auch weiter gehört werden.

Was wir zu sagen haben mag oft nicht jeder/m gefallen. Diejenigen die diese Rede vielleicht für überzogen halten oder persönlich betroffen sind seien aber an folgende Volksweisheit erinnert, die wir GRÜNEN gerne beherzigen: Sei lieber wegen deiner Ehrlichkeit gehasst als wegen deiner Heuchelei geliebt.

Eine Debatte zum Haushalt auf Augenhöhe hat bis dato nicht stattgefunden. Stattdessen eine weitgehende Ausgrenzung Andersdenkender und ein Abwürgen von Diskussionsbeiträgen. Gute Ideen sind gefragt und gewünscht, aber nicht deren Autor*innen. Ein positiver Ausblick auf die Lösung vieler wichtiger Probleme in Garmisch-Partenkirchen wird so in weite Ferne gerückt. Im Fazit ist in und mit dem vorliegenden Märchenbuch der Ersten Bürgermeisterin und befreundeter Mächte kein Gesamtkonzept erkennbar. Deshalb werden wir diesem Haushalt nicht zustimmen.

 

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