von Dr. Stephan Thiel, am 14. März 2022.
27.03.22 –
von Dr. Stephan Thiel, Fraktionssprecher der Grünen Fraktion im Marktgemeinderat Garmisch-Partenkirchen, am 14. März 2022.
Präambel:
Bevor ich mit der eigentlichen Haushaltsrede beginne, habe ich noch folgende Bitten:
Es war immer ein Begehren der CSU, dass ausreichend Zeit zwischen letzter Finanzausschuss-Sitzung und Gemeinderatsitzung gegeben ist, um sich in der Fraktion abzustimmen und evtl. sogar mit der Kämmerei auszutauschen. Dies sehen wir genauso.
Deshalb möchte ich die erste Bürgermeisterin bitten
- in Zukunft eine ausreichende Zeitspanne von 2 Kalenderwochen zwischen abschließender Beratung des Haushalts (HH) im Haupt- und Finanzausschuss und der Haushaltssitzung vorzusehen.
- in Zukunft die abschließende Beratung des HH durch den Haupt- und Finanzausschuss nach der Behandlung des Stellenplans im Personalausschuss stattfinden zu lassen. So müssen die tatsächlichen Personalkosten als größte Ausgabe im Verwaltungshaushalt unserer Auffassung nach dem Haupt-Finanzausschuss vor der Endberatung vorgelegt werden. Es ist unglücklich, dass die Teile des Haushalts erst im GR zusammengefügt werden.
- in Zukunft einen festen Termin für die HH-Sitzung festzulegen und diesen auch im Sitzungskalender entsprechend zu markieren. Im Falle, dass der HH dann noch nicht fertig sein sollte, kann der Termin ja nach hinten verschoben werden. Ich denke dies entspricht einem verantwortungsvollen Umgang der Verwaltung mit den zuständigen Gremien und ihren Mitgliedern.
Vielen Dank. Nun zur Haushaltsrede:
Nachdem ich mich im letzten Jahr eher über die Zusammenarbeit mit der ersten Bürgermeisterin und im Gemeinderat geäußert habe, möchte ich heute eher unsere grundsätzlichen Positionen zur
Aufstellung des Haushaltes und seine Bedeutung für kommunales Handeln deutlich machen.
Um es vorweg zu schicken: Ein Haushalt stellt für uns mehr dar als die Summe seiner Einzelteile – also Stellenplan, Verwaltungshaushalt, Vermögenshaushalt und Investitionsplan. Und er ist für uns weit mehr als seine rein technische Aufstellung im Sinne der dauernden Leistungsfähigkeit. Ich möchte mit meinem Beitrag versuchen, Ihnen unsere Position näher zu bringen. Denn wenn man diese verstanden hat, wird auch klar, warum wir z.B. keine Anträge zu einzelnen Haushaltspositionen gestellt haben und stellen werden. Das wäre für uns in etwa so, als wenn sie schauen, wohin sie in den Urlaub fahren,
obwohl sie wissen dass ihr Urlaub nicht genehmigt wurde.
Was bedeutet für uns nun ein Haushalt?
Nun, ein Haushalt sollte anzeigen, welche Einnahmen und Ausgaben bzw. Maßnahmen für das kommende Jahr und die zukünftigen Jahre unter der Maßgabe der dauernden Leistungsfähigkeit der Kommune geplant sind bzw. umgesetzt werden sollen. Das Spektrum reicht dabei von kleinen Ein- oder Ausgabepositionen der Verwaltung bis hin zu Positionen mit mehrjährigen Bauvorhaben – von wenigen hundert Euro bis zu Millionenbeträgen. Ein transparenter Haushalt sollte darüber hinaus auch deutlich werden lassen, wo die Prioritäten der Maßnahmen liegen – wo eine kommunale Pflichtaufgabe besteht oder eine freiwillige Leistung erfolgt. So weit so gut.
Als oberste Maxime für die Aufstellung eines Haushalts sehen wir aber – neben seiner Finanzierbarkeit natürlich – den größtmöglichen Gestaltungsspielraum für eigene kommunale Aktivitäten und Planungen zu behalten. Und hier meine ich auch richtig teure Sachen.
Wir wissen, dass die Aufstellung eines kommunalen Haushalts in der Realität aber leider mehr oder weniger auch von allgemeinpolitischen Themen oder äußeren Vorgaben bestimmt wird, wie z.B. der Hochwasserschutz, Klimaschutz oder allgemeine Gesetzesänderungen, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Diese Maßnahmen müssen, sollen oder können im Haushalt Berücksichtigung finden. Manchmal sofort, manchmal früher, manchmal später. Allen gemeinsam ist aber, dass die Kommune Handlungsspielraum verliert, indem eigene Ziele und Wünsche in den Hintergrund gedrängt werden bzw. gedrängt werden müssen. Dies stellt für eine Kommune – insbesondere in heutigen Zeiten mit einer Coronapandemie, einem bevorstehenden G7-Gipfel und im Angesicht eines Angriffskrieges Putins in der Ukraine – schon alleine eine besondere Herausforderung dar.
Kommen hier aber noch weitere kostenintensive Maßnahmen wie Sanierung von Schulen, Skistadion oder Brücken hinzu, ist schnell das Problem der Handlungsunfähigkeit ohne Schuldenaufnahme erreicht.
Schulden belasten aber die kommenden Generationen und sollten deshalb kein Mittel der ersten Wahl sein sondern eine „ultima ratio“. Die letztgenannten Beispiele von Ausgaben sind aber, wenn wir ehrlich sind, nicht überraschend. Dies sind Dinge, die schon seit Jahren bzw. seit Jahrzehnten bekannt sind und sehenden Auges auf uns zukommen. Hier wurde aber, obwohl dies solange bekannt ist und warum auch immer, keine Vorsorge getroffen. Und das ist das, was ich meine. Ein Haushalt muss eine Perspektive bieten, wie er mit solchen planbaren Ausgaben langfristig umgeht und diese einpreist.
Hier wären zweckgebundene Rücklagen über lange Jahre hilfreich, die zumindest die akuten Ausgaben einer späteren Sanierung reduzieren könnten. So müssten dann z.B. auch keine 30 Mio. Euro wie aktuell für die Schulsanierungen über drei-vier Jahre aus dem Stand finanziert werden. Mehr agieren statt reagieren wäre die Devise für eine gute und vorausschauende Haushaltspolitik. Um wieder in eine solche Lage zu kommen, sind aus unserer Sicht folgende drei zentrale Maßnahmen erforderlich:
- Wir müssen uns haushalterisch ehrlich machen Die einzige Vision, die der Markt aktuell hervorbringt, ist die Durchführung der WM 2027. Hier schmückt sich der Markt mit Klimaschutzmaßnahmen, die aber letztendlich durch den Landkreis erbracht werden, aber nicht durch die Marktgemeinde. Vielmehr ist es doch jetzt an der Zeit, sich zur Klimaneutralität zu bekennen und eigene Anstrengungen diesbezüglich zu unternehmen und die Kosten dafür in den Haushalt zu integrieren. Darüber hinaus sollte der Kostenanteil der Marktgemeinde einer Ski-WM irgendwo abgebildet sein. Alles andere kann man nur noch so interpretieren, dass Sie selbst nicht an den Erfolg der Bewerbung glauben oder aber den Haushalt nicht ernst nehmen.
Wir sollten versuchen aus der Vergangenheit zu lernen und ehrliche Schlüsse zu ziehen. Jahr für Jahr liegt unser Planungsansatz im Vermögenshaushalt mit etwa 8 Mio deutlich über dem Rechnungsergebnis. Oder anders formuliert - Jahr für Jahr haben wir es nicht geschafft mehr als 12 Mio Euro an Maßnahmen im Vermögenshaushalt aus eigener Kraft umzusetzen. Wäre es dann hier nicht sinnvoll mal endlich hieraus zu lernen? Mehr geht nicht – wird also gar nicht erst geplant- oder alle darüber hinausgehenden Maßnahmen werden – je nach Wichtigkeit und wie auch immer - nach außen vergeben?
Weiter sucht man im aktuellen Haushalt vergeblich nach zentralen Bausteinen der Ortspolitik - einem Kongresshaus, einem Areal Bahnhof West, Umsetzung von Wohnungsbau, Umsetzung eines noch nicht einmal vorhandenen Verkehrskonzeptes und einem möglichen Erwerb und Nutzung des Abram-Geländes. Stattdessen findet man aber HH-Positionen wie eine Schüttguthalle am Bauhof oder eine Lagerhalle am Gudiberg. Sind das ehrlich die wichtigen Dinge unseres kommunalen Handelns? Sind wir ehrlich zu uns selbst, wenn wir z.B. ein Kongresshaus planen? Es klingt jedenfalls nicht überzeugend und vertrauensbildend eine Bürgerbeteiligung durchzuführen, wenn nichtsichergestellt ist, dass für das Ergebnis – egal wie es ausfällt – genug Geld vorhanden ist. Und sich hier auf eine Ski-WM 2027 zu verlassen ist u.U. sehr dünnes Eis. Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass hier Ergebnisse die im angeblich ergebnisoffenen Bürgerbeteiligungsverfahren ja erst herauskommen sollen schon verkauft wurden.
- Wir brauchen eine moderne Verwaltung Die aktuelle Struktur der Verwaltung ist aus unserer Sicht nach wie vor überaltert. Es bedarf einer weitergehenden Umstrukturierung. Hier müssen sich aktuelle Themen und Herausforderungen der Zeit in der Struktur der Verwaltung wiederspiegeln. Als ein Beispiel möchte ich den fehlenden grünen Hut in der Verwaltung nennen. Es gibt kein Grünflächenmanagement, kein Klimaschutzkonzept und keine ausreichende Mobilitätsplanung. Hier wird seit Jahren geblockt und auf Beiräte und runde Tische verwiesen. Liebe Leute, wenn das so einfach wäre, warum glaubt ihr ist da noch kein Konzept da? Ich glaube hier gibt es völlig falsche Vorstellungen, was da für Arbeit dahinter steckt. Das sind full-time-jobs. Hierzu braucht es entsprechende Stellen. Mir scheint der Fortschritt ist in der Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen nicht nur eine Schnecke, sondern zu allem Überfluss auch noch blind.
Lassen Sie uns doch endlich eine Klimaschutz- und Mobilitätsstelle statt eines Managers für das Skistadion im Stellenplan verankern. Eine Stelle deren Aufgaben es sind, einen kommunalen Maßnahmenkatalog zu erstellen, um bis 2030 eine klimaneutrale Verwaltung zu erreichen und ein allgemeines Verkehrskonzept zu erstellen und beides in die Umsetzung zu bringen. Ein entsprechender Antrag hierzu von den Grünen zusammen mit der SPD liegt Ihnen vor. Aktuell konnte ich als Maßnahmen zur Abbildung des Klimaschutzes lediglich 11500 Euro für Ladsesäulen im Haushalt finden – das war’s. Angesichts dessen was im bidbook hierzu suggeriert wird, ist dies höchst fragwürdig. Eine Ski-WM 2027 setztdas falsche Zeichen, egal wie nachhaltig das bidbook sich auch lesen lässt. Zum Schluss werden die Ziele der Nachhaltigkeit im Bidbook ja doch durch den Kreis erledigt, der Markt beteiligt sich lediglich durch die Kreisumlage.
Weiter würden wir für eine beschleunigte Mobilitätsplanung eine eigenständige Leitung für das Ordnungsamt begrüßen. Wir warten jetzt schon seit langen Jahren auf die weitere Umsetzung von Tempo 30 Zonen sowie der Einführung von Anwohnerparken und einer ortsweiten Parkraumbewirtschaftung.
Bezüglich der Umsetzung des Haushaltes halten wir eine Umstellung hin zu einer eigenverantwortlichen Budgetierung ggf. in Kombination mit einer Vorgabe der Priorisierung von Maßnahmen für zielführender. Aktuell sitzen wir jedes Jahr und diskutieren klein-klein über 5000 Euro hier und 5000 Euro dort. Anträge von Feuerwehr und für Kinderbelange gehen grundsätzlich durch, weil verständlicherweise hier niemand der Buhmann in der Öffentlichkeit sein will. Warum geben wir nicht jeder Abteilung ein Budget? Wir können doch sowieso nicht entscheiden was im operativen Geschäft notwendig ist und was nicht und was was kostet. Was wir entscheiden können ist was wir gerne in der Umsetzung hätten. Dann müssen wir das im Haushalt einbringen. Ansonsten sollte sich die Höhe der Budgetvorgaben an die Abteilungen in etwa an den Zahlen der der letzten Jahre orientieren. Für den Erfolg einer solchen Budgetierung sind natürlich Zielvereinbarungen, Berichtswesen und somit ein gutes Controlling wichtige Voraussetzungen. Es muss selbstverständlich sein dass dann Berichte aus den einzelnen Abteilungen über die Einhaltung der Zielvorgaben in den Gremien unabdingbar sind.
Zu guter Letzt ist in einer modernen Verwaltung der Kunde – also unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger König. Wesentliche Merkmale hierfür sind Bürgernähe und Transparenz. Dies kann man z.B. durch Streamen der Sitzungen oder interaktive Online-Plattformen mitAntragseinreichung erreichen, um Verwaltungsgeschehen in Bevölkerung zu tragen oder bürokratische Prozesse zu vereinfachen.
Hiervon sind wir leider meilenweit entfernt und es sind viele weitere kreative Ansätze gefragt.
- Wir müssen langfristiger planen und priorisieren. Um die eigene Handlungsfähigkeit bzgl. eigener kommunaler Ziele zu erhalten bzw. zurückzugewinnen, müssen diese Ziele zuallererst einmal definiert und im Haushalt beziffert werden. Hierzu zählen strategische Ziele, konzeptionelle Neuentwicklungen oder auch Bestandssanierungen.
Für Letzteres ist es notwendig den zukünftigen Sanierungsbedarf unserer Liegenschaften mit einer Meilensteinplanung und entsprechendem Investitionsvolumen schon jetzt abzuschätzen und entsprechende Rücklagen zu bilden.
Ein strategisches Ziel könnte z.B. die Positionierung der Marktgemeinde hinsichtlich des zukünftigen Wohnungsbaus im Ort oder aber die zukünftige Art der Verwaltung der eigenen Liegenschaften sein. Angesichts der frei werdenden Grundstücke am Hölzlweg oder mit dem Abramsgelände wäre eine Wohnungsgesellschaft des Marktes eine Option, die den Bau und die Verwaltung der zukünftigen und heutigen Liegenschaften übernimmt. Dieses Bekenntnis hätte natürlich weitreichende Konsequenzen auf unseren Haushalt, da die entsprechenden Grundstücke teilweise noch erworben und erschlossen werden müssten. Hierzu müsste man sich deshalb aber schon jetzt Gedanken machen, woher das Geld hierzu kommen soll. Ähnliche Gedankenspiele sind auch auf der Einnahmeseite notwendig. Hierzu lässt sich ein entsprechendes mögliches strategisches Ziel formulieren: Der Markt wird in der Regel keine Grundstücke mehr veräußern und sein Vermögen nur auf der Basis von Erbpachtverträgen für Nutzungen zur Verfügung stellen. Eine entsprechend resultierende Pacht würde die Einnahmeseite stärken.